Das Herz habe Gründe, die der Verstand nicht kenne, soll Blaise Pascal gesagt haben. Obgleich die Aussage des französischen Mathematikers und Denkers der christlichen Philosophie in einem anderen Kontext getätigt worden sein mag, so könnte sie auch das Konzept der Polyamorie untermauern. Polyamorie beschreibt nichts anderes als die Liebe jenseits der gesellschaftlich verankerten Konstrukte, nämlich eine Beziehung zu mehreren Partnern. Das Herz verlangt danach, mehrere Menschen zu lieben und von ihnen geliebt zu werden. Und auch die Philosophie schließt diese Form von Beziehungen nicht aus.
Was ist Polyamorie?
Im Wörterbuch wird Polyamorie definiert als das Führen einer Beziehung zu mehreren Personen, gleichzeitig und liebevoll und mit dem Wissen und dem Einverständnis der Beteiligten. Es geht es nicht einfach nur um eine freizügige Beziehung und Sex mit mehreren Partnern wie es bei der offenen Beziehung der Fall ist. Eine Polyamorie kann aber ebenfalls aus einer monogamen Beziehung erwachsen. Nämlich dann, wenn beide Partner sich nach anderen Erfahrungen mit neuen Partnern sehnen, ihre Beziehung zueinander aber nicht aufgeben möchten.
Der Reiz kann sowohl in neuen erotischen Erfahrungen, als auch in anderen Gesprächen und dem Teilen unterschiedlicher Interessen liegen. Immer wieder begründen polyamor lebende Personen ihre gewählte Beziehungsform auch damit, dass sie mehr Liebe zu geben hätten, als es ein Partner gebrauchen könne. Gesucht werden reale Liebesbeziehungen. Polyamorie unterscheidet sich von der sog. offenen Beziehung oder dem Gedanken der freien Liebe aus den 68er Jahren, die sich ausschließlich auf sexuelle Partnerschaften fokussieren.
Beziehungen zu mehr als einer Person werden aus unterschiedlichen Gründen bevorzugt und können für die Beteiligten sehr befriedigend und erfüllend sein. Dass die Gesellschaft dieses Modell bisher nicht vorgesehen hat, liegt auch daran, dass in der romantischen Vorstellung immer nur eine wahre Liebe existieren soll.
Was ist Liebe?
Doch was ist eigentlich Liebe und wie lässt sie sich philosophisch betrachten? Zuneigung, Verbundenheit und eine gewisse Hingabe sind Merkmale, die uns sofort ins Bewusstsein gerufen werden, wenn wir an Liebe oder einen geliebten Menschen denken. Liebe kann wunderschöne und traurige Gefühle oder sogar Zorn in uns auslösen. Sie kann mit Erotik verbunden oder rein freundschaftlicher oder familiärer Natur sein.
Nora Kreft, Autorin und Doktorin für Philosophie hat in ihrem Buch “Was ist Liebe, Sokrates?” die Betrachtungsweisen der bekanntesten Vertreter der Philosophie zusammengetragen. Auch wenn jede Ansicht gewissermaßen anders ist, stellt Dr. Nora Kreft in einem Interview mit dem Tagesspiegel fest, dass die meisten Theorien in der Philosophie die romantische Liebe zu mehreren Personen gleichzeitig gar nicht ausschlösse. Und natürlich gäbe es in der Philosophie keine Definition für die Liebe.
(Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/humboldt-universitaet-zu-berlin-den-gruenden-der-liebe-auf-der-spur/14692228.html)
Auch die italienische Philosophin Federica Gregoratto sieht philosophisch betrachtet keinerlei Gründe, die für die monogame Beziehung sprechen und das polyamore Beziehungsmodell somit außen vor ließen. Und tatsächlich scheint es im Alltag völlig normal zu sein, mehrere Personen zumindest auf eine nicht-erotische Art zu lieben. So liebt man möglicherweise mehrere seiner Freunde und eine Mutter jedes ihrer Kinder.
Im alten Griechenland fand man für all die unterschiedlichen Arten der Liebe verschiedene Begriffe. Eros bezeichnete beispielsweise die erotische und philia die freundschaftliche Liebe. Denkt man darüber nach, fällt auf, dass Eros und philia tatsächlich viel miteinander gemeinsam haben und auf starken Gefühlen basieren. Auch der kanadische Philosoph Thomas Hurka räumte in seinem Buch “The Best Things in Life. A Guide to What Really Matters” ein, dass die Arten der Liebe eine Abwandlung der gleichen Gefühlsgattung darstellten.
Die platonische Liebe aus unserem Sprachgebrauch unterscheidet sich übrigens von der philosophisch gemeinten platonischen Liebe: Nach Platons Philosophie stellt diese nämlich keine abgeflachte, sondern die höchste Form der Liebe da.
Geht man davon aus, dass Liebe philosophisch immer auf demselben Ursprung basiert und nur die Art, sie auszuleben sich unterscheidet, dann erscheint die Polyamorie als Beziehungsmodell beinahe als eine logische Konsequenz.
Warum ist Monogamie die vorherrschende Beziehungsform?
Wenn philosophisch gesehen nichts gegen Polyamorie spricht, weshalb hat sich dann das Konzept der Monogamie durchgesetzt? Tatsächlich sollen unsere Vorfahren in der Steinzeit noch polyamor gelebt haben. Doch die monogame Beziehung wurde nicht etwa erst von den Christen eingeführt.
Die Polyamorie änderte sich wohl im Rahmen der neolithischen Revolution nach der Eiszeit. Heute gehen Wissenschaftler davon aus, dass die Menschen auf diese Weise die Verbreitung von tödlichen Geschlechtskrankheiten verhinderten. Ein weiterer Grund soll Besitz und Erbe und die damit einhergehende zunehmende Relevanz von Abstammungslinien gewesen sein. Sehr viel später kamen die religiösen Aspekte hinzu, aus denen auch die Idee der Ehe erwuchs.
(Quelle: https://www.welt.de/print/wams/wissen/article157880674/Die-Erfindung-der-Monogamie.html)
Gründe für die Polyamorie
Beteiligte einer polyamoren Beziehung nennen verschiedene Gründe, weshalb sie sich dafür entschieden haben. Viele sprechen von einem Bedürfnis, das in monogamen Beziehungen unterdrückt werden muss und zu Lügen oder Untreue führt, welche die Beziehung zerstören. Auch bedeutet Polyamorie mehr Freiheit.
(Quellen: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/polyamore-liebe-balanceakt-zu-dritt-12126202.html, https://www.zeit.de/lebensart/partnerschaft/2010-12/polyamorie)
Da ein Partner oder eine Partnerin nicht vollkommen sein kann, findet man das fehlende Etwas möglicherweise bei einer anderen Person. Auch partnerschaftliche Konflikte können leichter gelöst werden, wenn nicht mehr nur zwei Personen diese miteinander austragen müssen. Ein weiterer Vorteil der Polyamorie ist der, dass die Beziehung immer wieder neu definiert werden muss, da sie in kein Raster passt. Das kann zwar für die Beteiligten anstrengend sein, hilft der Beziehung und den Beteiligten aber auch dabei zu wachsen.
Ein weiterer Grund für Polyamorie kann natürlich auch die sexuelle Befriedigung sein, die durch wechselnde Partner erlangt wird und glücklich macht. Was für viele Vorteile ein erfülltes Sexleben mit sich bringt, kann man hier nachlesen: https://fraulila.de/sex-gesundheitliche-vorteile
Ansonsten müsste man sich wohl ausschließlich den Sex Toys wie Fleshlights widmen (Quelle: https://fraulila.de/die-besten-fleshlights/).
Verschiedene Varianten der polyamoren Beziehung
Wie jedes Beziehungsmodell folgt auch das der Polyamorie keinen festgeschriebenen Regeln. Es gibt polyamore Partnerschaften, in denen es einen Hauptpartner oder eine Hauptpartnerin gibt. Genauso können die Beziehungen zu jedem Partner oder jeder Partnerin auch als gleichwertig angesehen werden. Manche Partner leben gemeinschaftlich zusammen, andere treffen die anderen Beteiligtne außerhalb des gemeinsamen Lebensmittelpunkts oder führen Fernbeziehungen.
Grundsätzlich kann auch zwischen dem Primär-, Sekundär- und dem Tertiärmodell unterschieden werden. Diese werden in der Diplomarbeit im Fachbereich Philosophie “Polyamorie. Ihre Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft und die Auswirkungen auf die Kindesentwicklung” von Christian Prasch wie folgt definiert: Primärbeziehungen seien eheähnlich und vorrangig gegenüber andere Beziehungen, während die Sekundärbeziehung eine abgeschwächte Form der Primärbeziehung darstellt. Die Tertiärbeziehung ist eher ein loser Kontakt, als eine feste Beziehung.
(Quelle: http://othes.univie.ac.at/46955/1/49211.pdf)
Wie viele und welche Partner in eine Beziehung integriert werden und ob diese miteinander agieren oder ihre eigenen polyamoren Beziehungen haben, müssen die Beteiligten letztendlich aber selbstständig und gemeinschaftlich festlegen. Kommunikation und Offenheit sollten bei jeder Form das Fundament darstellen.
Herausforderungen einer polyamoren Beziehung
Die Polyamorie steht grundsätzlich vor denselben Herausforderungen wie die monogame Beziehung. Denn nur weil sie anders gelebt wird, heißt es nicht, dass Gefühle wie Eifersucht und Besitzdenken nicht auftreten können. Der britisch-schweizerische Schriftsteller Alain de Botton erläuterte in der Sendung Sternstunden zum Thema “Was ist wahre Liebe”, dass die Liebe eben nicht so einfach sei, wie es der Romantizismus es fingiere. Sie sei eben (langfristig) nicht vollkommen und immer glücklich, sofern es sich nur die wahre Liebe handele.
(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=pUPok_0Qr1I)
Da die Liebe eben nicht perfekt ist, sind die damit verbundenen negativen Gefühle ganz normal. Bei der Polyamorie geht es nicht nur um die erotischen Bedürfnisse. Je nach Anzahl der Partner stellen sich auch grundlegende Fragen wie, mit wem verbringe ich Weihnachten oder den Geburtstag? Mit wem möchte ich vielleicht mal zusammen wohnen?
Federica Gregoratto empfiehlt in Sternstunden zum Thema “Polyamorie und wahre Liebe” hinsichtlich dieser Problemfelder, dass man sich viel Zeit füreinander nehmen und miteinander kommunizieren solle. Die Norm der Exklusivität der leidenschaftlichen Liebe sehe sie als unbegründet. Dennoch empfänden Menschen in polyamoren Beziehungen diese Gefühle. Sie ließen sich aber nicht dadurch blockieren.
Man könne etwas leben, dass in der Szene als “compersion” bezeichnet werde. Das bedeutet, dass man glücklich sein kann, eben weil auch der oder die Partner glücklich ist oder sind. Das Wissen, dass ein Partner auch von anderen Partnern geliebt und geschätzt wird, kann positiv und erfüllend sein. Um dies zu erreichen, solle man sich auch mit den Gründen der eigenen Eifersucht auseinandersetzen.
(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=-t9PexIGC4w)
Und dennoch kann es auch in einer langjährigen polyamoren Beziehung immer wieder zu Eifersucht und Unsicherheiten kommen. Den einen hilft es, ihren Hauptpartner in alles mit einzubinden und dessen neuen Partner oder deren neue Partnerin kennenzulernen. Andere führen ihre Beziehungen jeweils für sich. Es gibt auch Beziehungen, in denen der Hauptpartner sich bei großen Unsicherheiten oder starkem Unwohlsein gegen einen bestimmten Partner aussprechen kann, quasi ein Veto-Recht hat.
Da die polyamore Beziehung weit weg von dem gesellschaftlich verankerten Beziehungsmodell stattfindet, tun sich jedoch auch noch andere Probleme auf. Was nicht gesellschaftlich anerkannt ist, wird kritisch beäugt und leider auch von Familienmitgliedern, Nachbarn, Arbeitskollegen und anderen Menschen aus dem Umfeld verurteilt. Das kann im Alltag äußerst belastend sein. Außerdem bedürfen polyamore Beziehungen viel Organisation und Kommunikation, was den Anspruch der meisten monogamen Beziehungen noch übersteigt.
Auch folgt die polyamore Beziehung keinen Regeln, denn diese beruhen auf gesellschaftlichen Normen. Das bedeutet, dass die Beteiligten selbst Regeln aufstellen müssen. Diese sollten fair ausgehandelt und klar kommuniziert werden. Klappt etwas nicht, ist den Personen anzuraten, dies sofort anzusprechen.
Sexuelle Treue in einer Beziehung
Weswegen die Polyamorie heute immer noch abgelehnt und kritisiert wird, liegt vor allem daran, dass sie unvereinbar mit der sexuellen Treue ist. Dabei ist Betrug in einer monogamen Beziehung keine Seltenheit. Studien zufolge gehen jede dritte Frau und jeder vierte Mann fremd. Laut einer Studie der Universität Oxford gaben sogar mehr als die Hälfte der Teilnehmer an, schon einmal fremdgegangen zu sein.
(Quelle: https://royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rsbl.2014.0977)
In den letzten Jahren lag die Scheidungsrate in Deutschland in Prozentzahlen bei über 30 Prozent. Nach ca. 15 Ehejahren wurde im Schnitt die Scheidung eingereicht. Die deutsche Schriftstellerin und Therapeutin Cornelia Jönsson, die selbst polyamor lebt, sieht ein Hauptproblem in der Utopie von sexueller Treue und dem erfüllten Ausleben der eigenen sexuellen Identität.
Das Ausleben dieser sei nämlich mit einem einzelnen Partner oder einer Partnerin nicht möglich. Auch der Mensch selbst sei beispielsweise durch zunehmendes Alter Veränderungen unterworfen und würde seine Interessen mit der Zeit neu ausrichten.
(Quelle: https://www.welt.de/icon/article131750259/Eine-gediegene-Ausrede-ist-manchmal-menschlicher.html)
Doch weshalb wird auf sexuelle Treue so viel wert gelegt, wenn sich einerseits viele Partner nicht daran halten und sie der sexuellen Identität im Weg steht? Ist es besser Lügen in Kauf zu nehmen, als sich von der Monogamie zu lösen? Ein Grund, aus dem sexuelle Treue für so wichtig genommen wird, ist der, dass nach wie vor der Glaube an die sog. wahre Liebe besteht, die eine Exklusivität vorsieht. Auch besteht die Angst, dass die sexuelle Untreue in dem Ende der Beziehung mündet.
Lassen sich Liebe und Sex voneinander trennen?
Grundsätzlich lassen sich Liebe und Sex selbstverständlich voneinander trennen, denn man empfindet – wie bereits festgestellt auch Liebe zu Menschen, denen gegenüber man kein sexuelles Interesse hat. Auch der Sex mit einer anderen Person als dem eigenen Partner oder der eigenen Partnerin muss nichts mit Gefühlen zu tun haben.
Liebe und Sex werden in der Polyamorie auch nicht getrennt, obgleich die polyamore Beziehung häufig den Ursprung in einer sogenannten offenen Beziehung hat. Weshalb aus sexuellen Erlebnissen dauerhaft ein romantisches Gefühl erwachsen kann, hat mehrere Ursachen. Neben der Sympathie zueinander spielt auch das Hormon Oxytocin eine Rolle.
Dieses Hormon begünstigt das Gefühl von Intimität und Beziehung. Doch auch die Zeit, die man vor oder nach dem Sex verbringt, spielt eine entscheidende Rolle. Es ist nicht immer Liebe auf den ersten Blick. Auch die gemeinsam verbrachten Stunden und Erlebnisse können dazu führen, dass man sich ineinander verliebt.
Sex kann für die Entwicklung einer emotionalen Beziehung ausschlaggebend sein, muss es aber nicht.
Sexuelle Erlebnisse: Jeder für sich oder gemeinsamer Sex mit mehreren Partnern?
Wie man die Polyamorie auslebt, dafür gibt es keine festgeschriebenen Regeln. Es gibt Partner, die gemeinschaftlich Sex miteinander haben oder sich beim Sex mit bestimmten Personen abwechseln. Eine Rolle kann dabei zum Beispiel spielen, ob man sich zueinander hingezogen fühlt oder dieselben sexuellen Vorlieben teilt.
Wechselt man den Geschlechtspartner, gilt übrigens selbsterklärend dasselbe wie auch für viele monogamen Beziehungen. Es sollte zur Sicherheit immer mit einem Kondom verhütet werden. 10 gute Gründe dafür sind hier aufgeführt: https://fraulila.de/10-gruende-warum-du-ein-kondom-benutzen-solltest/.
Polyamore Beziehungen in der Gesellschaft
Obgleich der Begriff “Polyamory” offiziell seit den 90er Jahren in den USA genutzt wird und inzwischen ca. 10000 Menschen in Deutschland nach einem polyamoren Beziehungsmodell leben, ist es nicht wirklich anerkannt. Auch das Wörterbuch begreift Polyamorie unter anderem noch als Subkultur. Als normal gilt immer noch die klassische Paarbeziehung, die auf eine Ehe hinausläuft. Die eheliche Beziehung ist mit der Polyamorie in diesem Sinne nicht zu vereinbaren.
Die gesetzliche Ehe ist in Deutschland nach § 1306 BGB nur mit einem Partner möglich. Eine Mehrehe, also sog. Polygamie wird nach § 172 StGB sogar mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet. Natürlich kann man aber einen der Partner heiraten und die Beziehung mit den anderen gleichwertig leben, nur dass diese rein rechtlich eben nicht gleichwertig sind.
Die hiesige Gesellschaft und das daran gekoppelte Rechtssystem sehen Polyamorie nicht vor. Wer sein Leben entsprechend ausgerichtet hat, sollte sich über bestimmte Dinge im Klaren sein. Nicht-eheliche Partner haben kein gesetzliches Erbrecht oder den Anspruch auf Hinterbliebenenschutz im Todesfall eines Partners, erhalten in manchen Fällen schwieriger oder keine Auskunft über einen Partner im Krankenhaus und auch Sorgerechtsfragen werden außerehelich meistens anders gelöst.
Polyamorie und Familiengründung
Wer das polyamore Beziehungsmodell bevorzugt, kann selbstverständlich genauso ein Familienmensch sein und sich eine eigene Familie wünschen. Die relevante Frage dahinter ist, wie das Familienmodell aussehen soll. Lebt man mit einem Hauptpartner, können die anderen Partner für das Kind als Bezugspersonen auftreten. Denkbar sind aber auch Kinder mit verschiedenen Partnern oder ein Modell, dass wie eine Patchwork-Familie funktioniert.
Hier ergeben sich jeweils wieder neue Fragestellungen: Trennt man die Familien oder leben sie gemeinsam? Wie entscheidet man, wenn zu einem Thema wie der Erziehung unterschiedliche Ansichten existieren?
Es gibt bisher nur wenig Studien zu polyamoren Familien, insbesondere in Bezug auf die Kindesentwicklung.
Studien von Dr. Elisabeth Sheff dokumentieren die Wahrnehmung des Familienmodells in verschiedenen Altersstufen. Während 5 bis 8-Jährige keine Unterschiede zu anderen Familien sehen, nehmen 9 bis 12-Jährige diese Unterschiede wahr, ergründen diese aber noch nicht. In der Altersstufe von 13 bis 17 Jahren beginnt dann das Hinterfragen.
Für Kinder kann die gelebte Polyamorie der Eltern viele Vorteile haben, denn die Eltern sind meistens gut organisiert, leben Ehrlichkeit und Transparenz. Das Kind hat mehrere Bezugspersonen und Vorbilder. Auch straffe gesellschaftliche Regeln fallen weg und ermöglichen dem Kind mehr Selbstbewusstsein und eine freie Entwicklung, sowie liberale und progressive Ansichten.
Nachteilig kann es sein, wenn Beziehungen enden und der Kontakt abbricht. Auch die Ablehnung durch die Gesellschaft kann für ein Kind stark belastend sein. Bei Trennungen sollte entsprechend Rücksicht auf die Kinder genommen werden, denn auch sie führen eine Beziehung zu den Menschen, die sie ihrer Familie zuordnen. Außerdem sollte ab einem Alter von 13 Jahren die Polyamorie thematisiert werden.
Fazit
Auch wenn das Wörterbuch den Begriff der Polyamorie kennt, ist diese Beziehungsform der modernen Gesellschaft noch fremd. Wenn man das Thema Liebe philosophisch betrachtet, gibt es den meisten Theorien zufolge keine Gründe, die dagegen sprechen. In der Philosophie gibt es auch keine direkte Definition von Liebe. Das deutsche Grundgesetz schützt aber die Ehe, die sich auf zwei Personen bezieht und eine darüberhinausgehende Personenanzahl ausschließt. Dennoch ist die Polyamorie eine durchaus mögliche Beziehungsform, die funktionieren kann, sofern man bereit ist, sich darauf einzulassen und sich bewusst ist, dass sie viel Arbeit erfordert. Geht man davon aus, dass der Mensch für polyamore Lebensweisen geschaffen ist, dann könnte dieses Konzept sogar die Beziehungsform der Zukunft darstellen.